(No) Brown in Town

Schuh-Etikette

Zugegeben, wäre ein Bittsteller nicht in dezenter Fußbekleidung, sondern in hellrotem Broguings unter die königlichen Au gen Ludwigs XIV. getreten, wäre es ihm schlimmstenfalls an den Kragen gegangen. Immerhin waren rote Chaussures im Frankreich des Sonnenkönigs allein den oberen Ständen vorbehalten. Heute muss ein Besitzer von farbigem Schuhwerk kaum die Guillotine fürchten, doch sorgt ein anderer Wahlspruch für Unsicherheit: „No brown in town.“ Doch sind braune Herrenschuhe nun ein absolutes No-Go in der Geschäftswelt und wohlmöglich auch nach 18 Uhr verboten?

Britisches Empire war Stil gebend


Auch wenn es die Sprache nicht bereits nahelegen würde, weist die britische Vorliebe für Formgefühl, Etikette und gesellschaftliche Gepflogenheiten jeglicher Art auf den englischen Ursprung jener Mode-Empfehlung hin. Tatsächlich galt braune (Fuß-)Kleidung bis weit ins 19. Jahrhundert hinein in England als typisches Symbol der ländlichen Bevölkerung, während der Londoner Gentleman vornehmlich schwarzes Schuhwerk trug. Doch damit noch nicht genug. Braune Schuhe ließen nicht nur Rückschlüsse auf ein bestimmtes soziokulturelles Milieu zu, sondern waren zu manch gesellschaftlichem Anlass ein Fauxpas par excellence.

No brown after six


Ursprünglich bezog sich diese Empfehlung weniger auf die Uhrzeit, als vielmehr auf den gesellschaftlichen Anlass. Konnten sich braune Schuhe im Laufe der Zeit auch im städtischen Bereich etablieren, tauschte Mann sie indes nach Feierabend gegen schwarzes Schuhwerk ein und zwar in der Regel „after six“. Diese Benimmregel richtete sich allerdings nicht nur gegen Brauntöne im Speziellen, sondern gegen sämtliche Farben im Allgemeinen. Allein schwarze Fußbekleidung entsprach der abendlichen Etikette und war für einen Theater- oder Dinner-Besuch akzeptabel. Dieses Erbe zeichnet sich noch heute im Dress-Code der Herrenwelt ab.
Während italienische Herren schon seit geraumer Zeit dunkelbraune Schuhe mit anthrazitfarbenen Anzügen kombinieren, reservieren andere Nationen das braune Schuhwerk ausschließlich für den Freizeitbereich. Tatsächlich hatte die britische Stilempfehlung zu Zeiten der Industriellen Revolution auch im Hinblick auf die zunehmende Verschmutzung der Städte seine Berechtigung, deren Ruß und Dreck heller Kleidung schnell zu Leibe rückte, allerdings erweist sich heute eine Ausnahme von der Regel als überaus lohnenswert.

Rules are there for a reason, but there is nothing wrong with breaking them


Von Cognac bis hin zu Burgund – braune Schuhe sind eine optische Abrundung für den modernen Gentleman und bringen eine angenehme Abwechslung in den klassischen, aber bisweilen auch monotonen schwarzen Schuhalltag. Doch Obacht: Mag die Mode heute auch große Freiheiten gewähren, so erfordert sie dennoch Fingerspitzengefühl. Nach italienischer Manier empfiehlt sich zu einem blauen oder grauen Anzug ein Lederschuh mit braunem oder gar bordeaux-rotem Oberleder, wohingegen eben jene in manch einer Branche fehl am Platz wirken können.
Wer bei einem wichtigen Business-Termin lieber auf Nummer sicher gehen will, hält es mit den Schuhen am besten wie Henry Ford (1863 bis 1947) mit seinen Autos. Dem berühmten Automobilhersteller waren bekanntlich alle Farben willkommen, „any colour … so long as it is black“. Für weniger formelle Anlässe gilt, mit Farbgefühl und Stilempfinden sind braune Herrenschuhe auch im Businessalltag ein optisches Highlight und unterstreichen den individuellen Geschmack des Trägers – ob im Büro oder nach Feierabend, „in town“ gehören sie heute allemal.

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