Der Kampf gegen Windmühlen: Gehfalten

Der Kampf gegen Windmühlen: Gehfalten

Der Ärger ist groß. Gerade einmal ein paar Wochen sind die neuen Schuhe alt, und schon zeichnen sich Gehfalten ab. Und das trotz Schuhspanner. Der Gedanke liegt nahe: Die Qualität der Schuhe kann nicht erstklassig sein. In manchen Fällen mag dieser Argwohn berechtigt sein. Wir zeigen, warum Gehfalten bei Lederschuhen unvermeidbar sind.

Schuhspanner beugen Gehfalten vor, verhindern sie aber nicht


Schuhspanner sind eine Wohltat für unsere Schuhe. Die Bildung von Gehfalten einzudämmen, ist nur ein guter Grund von vielen, die sogenannten Schuhstrecker einzusetzen. Schuhspanner erhalten nämlich nicht nur die Form unserer Schuhe, sondern verlängern auch deren Lebenszeit. Um die bestmöglichen Resultate zu erzielen, sollten die Schuhe sofort nach dem Ausziehen mit den Schuhspannern bestückt werden. Kurz nach dem Ausziehen ist das Leder noch warm und biegsam. Die ideale Voraussetzung also, um die Schuhe nach einem langen Tag wieder in Form zu bringen.
Der regelmäßige Schuhspanner-Gebrauch entlastet außerdem den Schuhboden und verhindert, dass sich die Sohle mit der Zeit nach oben biegt. Ohne Schuhspanner zieht sich das Leder beim Trocknen zusammen und schrumpft mitunter um eine ganze Schuhgröße. Ein solch’ verändertes Schuhvolumen kann unangenehme Folgen für den Besitzer haben und endet nicht selten mit schmerzenden Druckstellen und Blasen. Schuhspanner erhalten die Schuhlänge und nehmen gleichzeitig die über den Tag abgegebene Fußfeuchtigkeit auf – richtig den Fußschweiß. Sind die Schuhspanner außerdem aus Holz gefertigt, unterstützen sie aktiv die Trocknungszeit, falls Ihre Schuhe einmal vollkommen durchnässt sind.

Wann Gehfalten unvermeidbar sind


Doch selbst Schuhspanner aus Zedernholz können nicht verhindern, dass sich Gehfalten auf dem Oberleder bilden und sich mit der Zeit vertiefen. Doch warum zeigen sich bei manchen Schuhen schon nach kurzer Zeit die bekannten Übeltäter, während andere Modelle selbst bei einem regelmäßigen Gebrauch ihr unversehrtes Antlitz bewahren? Zweifellos begünstigt eine schlechte Behandlung den Verschleiß unserer Schuhe und daher auch Gehfalten. Wer seinem Schuhwerk nur selten Tragepausen gönnt, auf Schuhspanner und Schuhlöffel verzichtet, darf sich über faltige Oberleder nicht wundern. Doch vor der falschen Pflege kommt eine schlechte Passform.
Inwieweit ein Schuh Gehfalten bildet, richtet sich zu einem großen Teil nach dem Fuß, der ihn füllt. Fallen die Schuhe schon beim Anprobieren etwas zu groß aus, sollte man unbedingt eine kleinere Schuhgröße wählen oder auf ein anderes Modell zurückgreifen. Wer dessen ungeachtet ein schlecht sitzendes Paar ersteht, schafft die ideale Ausgangssituation für potentielle Gehfalten. Der überschüssige Lederanteil wird beim Gehen bei jedem Schritt gestaucht und bietet reichlich Raum für potenzielle Gehfalten. Gleichwohl dürften auch Herren mit einem niedrigen Spann bestens mit dem Phänomen vertraut sein.
Wird der Schuh aufgrund eines niedrigen Spanns nicht richtig ausgefüllt, hat der Schuh in diesem Bereich zu viel Volumen über dem Vorderfuß. So bleibt dem Oberleder praktisch nichts anderes übrig, als sich in Gehfalten zu wellen wie Speckrollen über dem Körper. Selbst wenn der Träger zu einer anderen Schuhgröße gegriffen hätte, bliebe das überschüssige Volumen unverändert. Allein eine andere Leistenform kann hier vor einer ausgeprägten Gehfalten-Bildung schützen.

Gehfalten zeugen nicht (immer) von mangelnder Qualität


Um einen weit verbreiteten Irrglauben endgültig zu Leibe zu rücken… Selbst mit der richtigen Passform bilden sich Gehfalten auf dem Oberleder. Allein das Wann variiert bei Lederschuhen zuweilen. Selbstverständlich spielt hierbei die Lederqualität eine entscheidende Rolle. Von Natur aus schlechtes Leder – wie qualitativ schlechtere Hautpartien von Bauch und Bein – zeigen meist von Beginn an einen unschöne Faltenwurf. Doch kaum ein Hersteller von hochwertigen Herrenschuhen wird sich mit solch minderwertigen Tierhäuten begnügen. Wer also glaubt, feinstes French Calf oder Boxcalf sei vor Gehfalten gefeit, den müssen wir erneut enttäuschen. Gehfalten sind äußerst gewissenlose Zeitgenossen und machen auch vor erstklassigem Schuhwerk keinen Halt. Das mag zu einiger Empörung unter den Besitzern führen, doch geht es beim Thema Gehfalten wie in so vielen Fällen leider nicht gerecht zu.
Zu welchem Zeitpunkt ein Schuh Gehfalten entwickelt, richtet sich obendrein danach, wie lange der Schaft bei der Schuhherstellung auf dem Leisten verbleiben durfte. Je länger der Schuhmacher das Oberleder auf dem Leisten lässt, umso eine bessere Passform erhält der fertige Schuh. Eine bessere Passform sorgt wiederum für ein länger gut aussehendes Oberleder.

Schuhmodell entscheidet über Gehfalten


Nun mag der eine oder andere empört anführen, einige Exemplare seiner persönlichen Schuhgarderobe erfreuen ihn noch nach Jahren mit einem geschmeidigen Erscheinungsbild. Warum kann man dann eine solche Bilanz nicht bei allen Schuhen gleichermaßen ziehen? Diesen sei gesagt, dass verschiedene Schuhmodelle unterschiedlich stark zu Gehfalten neigen. In der Regel bilden Glattlederschuhe früher Gehfalten als Semi- oder Full-Brogues.
Der Grund dafür liegt in der Anzahl der Lederschichten, die bei Schuhen mit einer eleganten Lochmusterung zu weniger Gehfalten führen. Während ein oft getragener Wholecut bisweilen Gehfalten von faszinierender Ausprägung entwickelt, lässt sich dies bei einem Full-Brogue verzögern. Des Weiteren entscheiden nicht nur die jeweilige Leistenmaschine und die ausgewirkte Spannung auf das Oberleder über das Gehfalten-Ausmaß. Auch die Stellen, an denen Schaft und Sohle miteinander vernäht sind, bestimmen die Oberlederstruktur. Wie stark und schnell unsere Fußbekleidung also Gehfalten zeigt, lässt sich kaum durch eine pauschale Antwort klären.
Letztendlich kann man Vieles in einer Gehfalte sehen: ein unvermeidbares Ärgernis oder etwa ein vollkommen natürliches Zeichen des Gebrauchs. Eines ist jedoch gewiss – Schuhe, die keine Gehfalten bilden, bestehen nicht aus Leder. Statt sich also im aussichtslosen Kampf gegen die Windmühlen zu verausgaben, sollte man stattdessen das Mögliche mit Schuhspannern und guter Pflege versuchen. Ansonsten hält man es vielleicht besser wie die einstige Schauspielerin Anna Magnani mit ihren eigenen Falten: Lass meine Falten in Ruhe. Ich habe sie mir über die Jahre redlich erworben. 

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